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Hoffnungsgeschichten - Das zweite Siegener Frauenmahl
24.10.2024
Der Tisch ist gedeckt. Vier lange Tafeln mit weißem Damast, polierten Gläsern und Farbtupfern in Violett, mit Herbstblumen aus dem Garten, mit Wasser, Saft und Wein und einem ersten Gruß aus der Küche: Reibekuchen, mit Butter bestrichen. Der Tisch ist gedeckt. Auch im übertragenen Sinne. Denn es ist getan, was zu tun war – an vernetzter Konzeptarbeit, praktischer Vorbereitung, der Einladung von Mitwirkenden und Gästinnen. Jetzt gilt es, Platz zu nehmen, da zu sein, zu schmecken, zu sehen. „So muss ein Festmahl sein“, singt Bea Nyga. Sie hat zuvor schon mit ihrem musikalischen Partner, dem Gitarristen Ingo Steuter, das Leben gefeiert („Gracias a la vida“) und damit aus ihrer kreativen Kombüse sehr herzlich gegrüßt. Die in Köln lebende Sängerin, etlichen der Teilnehmerinnen bekannt von ihrer musikalischen Arbeit rund um den Weltgebetstag der Frauen, wird vom Keyboard aus den Abend immer wieder fein würzen: mit Liedern zum Lachen und Weinen, zum Mitsingen und zum Glücklichsein.
Bea Nygas Musik ist der Grundton des (nach 2018) zweiten Siegener Frauenmahls, das an einem Freitag Mitte Oktober in der Martinikirche etwa 120 Frauen – darunter mit Kerstin Grünert auch die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein – begeistert hat. Ein Vier-Gänge-Menü wird flankiert von thematischen Impulsen rund um das Motto „Hoffnungsgeschichten“. Zusammengestellt hat das Programm ein neunköpfiges Vorbereitungsteam rund um Pfarrerin Barbara Plümer vom Frauenausschuss des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein, Gerlinde Schäfer vom Bezirksverband der Siegerländer Frauenhilfen und Erika Stei vom Siegener Bezirk der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands.
Das Frauenmahl in der Martinikirche war Teil der Veranstaltungen zur 800-Jahr-Feier der Stadt Siegen.
„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht“, sagt Václav Havel, tschechischer Dichter, Dissident und Präsident. Mit diesem Zitat leitete Pfarrerin i.R. Angelika Weigt-Blätgen ihr Kurzreferat ein. Darin skizzierte sie zunächst biblische Hoffnungsgeschichten. Sie benannte das Volk auf der Wüstenwanderung ins gelobte Land, die Familie, die ein Schiff, die Arche, baut; sie verwies auf Maria, die in und voller Hoffnung ist, und auf die altgewordene Sara, gleichfalls guter Hoffnung; sie berichtete von Menschen, die mit Jesus am Tisch sitzen und ihr Brot miteinander teilen.
Hoffnungsgeschichten seien immer auch Trostgeschichten, erzählt zumeist von jenen, die noch hungernd sind, noch heimatlos, noch trauernd, so Angelika Weigt-Blätgen. Wie gut sei es da, dass es nicht allein Für-Bittende gebe, sondern auch Für-Hoffende – etwa was die „Vision einer heimatlicheren Erde“ angehe. Als Beispiel nannte die Vorsitzende des Dachverbands Evangelische Frauen in Deutschland die Entscheidung des Nobelkomitees, den Friedensnobelpreis 2024 der japanischen Friedensorganisation Nihon Hidankyo, den „Hibakushas“, zuzusprechen.
Wie sehr ein Für-Hoffen auch mit Für-Sorge zu tun hat, wurde nach einem musikalischen und kulinarischen Intermezzo deutlich. Dr. Felizitas Hoferichter, Fachärztin für Allgemeinmedizin, stellte die Siegener Arbeit der Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung (MMM) vor. Seit 2016 gibt es donnerstags eine Sprechstunde im Pfarrheim der katholischen St.-Marien-Gemeinde am Häutebachweg 5. Diese steht zwischen 18 und 19 Uhr ausschließlich jenen offen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen keinen Krankenversicherungsschutz genießen: den in die Insolvenz geratenen Selbstständigen, die Familie ohne legalen Aufenthaltsstatus oder die schwangere Studentin aus Afrika, die aus Kostengründen nur eine Minimalkrankenversicherung abgeschlossen hat, die Schwangerschaft ausschließt ...
Derzeit seien fünf Ärzte und zwölf Medizinische Fachangestellte in der MMM-Ambulanz engagiert. Das Team ist darauf angewiesen, auf ein Netzwerk zurückgreifen zu können, das auch eine Facharzt-Behandlung möglich macht. „Wir leisten Basismedizin“, so Felizitas Hoferichter. Menschen mit einer Krebserkrankung oder bei denen eine große Operation notwendig sei, müssten sie weitervermitteln – zum Beispiel an Clearingstellen in Köln oder Dortmund, wo versucht werde, den Betroffenen wieder einen Zugang zum Krankenversicherungssystem zu ermöglichen. Wünschenswert sei es, so die Ärztin, wenn die MMM-Ambulanz eines Tages nicht mehr nötig wäre, etwa wenn Pilotprojekte wie die eines anonymen Behandlungsscheins tatsächlich Schule machten. Ausdrücklich warben die Veranstalterinnen des Siegener Frauenmahls dafür, die MMM-Ambulanz Siegen mit Spenden zu unterstützen; ein möglicher Überschuss sollte für diese Arbeit eingesetzt werden.
Dieses Hand-in-Hand-Prinzip sinnlich greifbar machte Bea Nyga schließlich mit ihrer Einladung zum Händereichen: „Meine Hände, deine Hände, die suchen deine, die suchen meine, und spüren Wärme ...“ So entstand aus der Tischgemeinschaft hier und da und dort ein kostbarer Moment von Freundschaft. Vergnügt, gelöst, gesegnet.
Extra:
„Jedes Glas ein Unikat“
Gegen eine Spende konnten die Gläser, die beim Frauenmahl auf den Tischen standen, als „Hoffnungszeichen“ mit nach Hause genommen werden. Diese Gläser hätten nur darauf gewartet, noch einmal verwendet zu werden, so Jutta Stücher aus dem Vorbereitungsteam. „Jedes Glas ein Unikat“ – und samt und sonders aus dem Bestand des Ladens der Siegerländer Frauenhilfen. Wer mochte, konnte für 1 Euro ein Glas erwerben und damit die Sozialkaufhaus-Initiative unterstützen. Die Frauenhilfen betreiben in Siegen inzwischen zwei Läden: das „Stammhaus“ an der Friedrichstraße 27 und seit Juni 2024 auch an der Sandstraße 24. Mehr: www.derladen-siegen.de.
Claudia Irle-Utsch
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