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Erste Hilfe für die Seele
30.9.2024
Sie kommen zum Einsatz, wenn Menschen sich in akuten Krisen befinden, wenn sie eine traumatische Situation erlebt haben oder eine Todesnachricht übermittelt werden muss: Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger sind rund um die Uhr erreichbar und werden von der Leitstelle der Feuerwehr zur Unterstützung gerufen. Sie sind da für Betroffene und deren Angehörige, begleiten sie, hören zu, schweigen oder sprechen gemeinsam, und beten mit ihnen, wenn es gewünscht ist. Dabei zählt bei ihrer Arbeit vor allem eines: „Wir haben Zeit!“ Das sagt Pfarrer i. R. Herbert Scheckel, der Mitglied des Leitungsteams der Notfallseelsorge Siegerland ist und Synodalbeauftragter für die Notfallseelsorge im Evangelischen Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein. Das Team im Siegerland besteht aus 18 Männern und Frauen, die überwiegend ehrenamtlich tätig sind und unterschiedlichen christlichen Konfessionen angehören. Der Evangelische Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein ist Träger der Notfallseelsorge Siegerland ebenso wie für die Notfallseelsorge in Wittgenstein. Dort ist die Notfallseelsorge anders organisiert und besteht aus einem sechsköpfigen Team mit Pfarrerinnen und Pfarrern und Einsatzkräften. Synodalbeauftragter des Kirchenkreises für die Notfallseelsorge in Wittgenstein ist Pfarrer Steffen Post.
Die Menschen, die in der Notfallseelsorge Siegerland arbeiten, kommen mit unterschiedlichen Hintergründen und aus unterschiedlichen Berufen. Scheckel (66) spricht von einem „sehr bunt gemischtem Team“. Geleitet wird es von ihm, Stefan Kebschull und Wolfgang Seifert. Den ersten Einsatz, das berichten Scheckel und Seifert, den vergesse man nicht. Scheckel, der seit 25 Jahren in der Notfallseelsorge tätig ist, begleitete eine Familie, in der ein Kind durch plötzlichen Kindstod verstarb. Seifert, 64 Jahre alt, früher in der Industrie tätig, jetzt im Ruhestand, ist fast zehn Jahre Notfallseelsorger. Auch er hat die Situation noch vor Augen: Das erste Mal wurde er zu einem häuslichen Todesfall gerufen. Nur wenige Informationen werden den Notfallseelsorgern übermittelt, wenn sie über eine spezielle App oder per Melder zu einem Einsatz gerufen werden. Sie sind rund um die Uhr in Rufbereitschaft. „Alle sind ständig bereit“, sagt Seifert. Die Feuerwehrleitstelle ruft sie immer dann, wenn Menschen in außergewöhnlichen Krisensituationen Beistand benötigen. „Wir sind Erste Hilfe für die Seele“, sagt Scheckel: „Wir versuchen die Auswirkung eines extremen Ereignisses zu mildern.“ Dabei könne miteinander reden ebenso helfen wie gemeinsames Schweigen. Dass ein Einsatz auch mehrere Stunden dauert ist dabei nicht ungewöhnlich. Wenn andere Einsatzkräfte den Ort wieder verlassen, bleiben die Notfallseelsorger, und sie warten auch bis beispielsweise die Kriminalpolizei für weitere Ermittlungen eingetroffen ist. „Das kann auch mal ein oder zwei Stunden dauern“, sagt Scheckel. Die Notfallseelsorger können außerdem Kontakt aufnehmen zu Angehörigen und an Beratungsstellen weitervermitteln, die Unterstützung und Rat anbieten.
Scheckel und Seifert sprechen von ihrer ehrenamtlichen Arbeit als „ein hochsinnstiftendes Tun“. Dabei greifen sie zurück auf ihre persönlichen Erfahrungen, ihre Ausbildung und ihren Glauben. Scheckel sagt: „Wir haben gelernt mit Menschen, die in außergewöhnlichen Situationen sind, umzugehen.“
Die Ausbildung zum Notfallseelsorger
Alle Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger durchlaufen eine intensive Ausbildung, die rund 120 Stunden umfasst. Thematisiert werden mögliche Einsätze, aber auch Tod und Trauer in Kulturen und Religionen sowie Selbstreflexion und Kommunikation werden in der Ausbildung behandelt. In einem Gespräch gemeinsam mit ausgebildeten und erfahrenen Notfallseelsorgern und mithilfe von Fragenbögen wird gemeinsam vorab herausgefunden, ob die Notfallseelsorge für Interessierte ein mögliches Gebiet sein könnte, um sich einzusetzen und anderen Menschen zu helfen. Die Rufbereitschaft erfordere zudem, dass man mit dem Arbeitgeber spreche, erklärt Seifert. Er erlebte, dass ein Arbeitgeber für das Ehrenamt offener wurde, nachdem es einen Betriebsunfall im Unternehmen gegeben hatte.
Scheckel nennt weitere Voraussetzungen, die für die Notfallseelsorge wichtig sind: „Die Fähigkeit, sich auf andere Menschen und Schicksale einzulassen, von sich wegzugucken, teamfähig zu sein und Stress auszuhalten.“ Und: „Empathie bis zu einer gewissen Grenze“, ergänzt Seifert. Wer sich für die Mitarbeit in der Notfallseelsorge interessiere, müsse auch schauen, in welcher persönlichen Situation er sich befinde, habe man beispielsweise selbst Kinder. Das Schlimmste, was passieren könnte, erklärt Scheckel, sei, dass man in einem Einsatz nicht so arbeiten könne, wie es nötig sei, dass es „lähmt“.
Besondere Belastungen, die jemand erlebt habe, seien aber nicht unbedingt ein Hindernis – wenn eine Verarbeitung stattgefunden habe. „Das ist wertvoll für uns und für den Dienst“, erklärt Seifert.
Bevor Notfallseelsorger mit ihrer Arbeit beginnen, findet ein Einsegnungsgottesdienst statt, zu dem das gesamte Notfallseelsorgeteam eingeladen wird und bei dem, der oder die Einzusegnende die auffällig lilafarbene Jacke erhält, an denen die Notfallseelsorger im Einsatz zu erkennen sind. Dieser Moment sei besonders, sagt Seifert. Die Gottesdienste seien sehr ruhig, sehr andächtig und oft folgten intensive Gespräche im Anschluss. „Es geht um Leben und Tod“, sagt Scheckel.
Das Notfallseelsorgeteam Siegerland sucht Verstärkung. Interessierte können Kontakt mit dem Leitungsteam aufnehmen, das auch gerne über die Voraussetzungen und Bedingungen für die Mitarbeit informiert. Wolfgang Seifert ist telefonisch unter folgender Nummer zu erreichen: 0151/54252952 und per E-Mail: wolfgang.seifert@online.de. Weitere Kontaktdaten sind hier zu finden.
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