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Blowin` in the wind
24.10.2023
Beitrag von Anna Lena Schwarz
zum gleichnamigen Lied von Bob Dylan
vorgetragen im Gedenk- und Friedensgottesdienst in der Martini-Kirche Siegen am Sonntag, den 15. Oktober 2023
nach dem von der Hamas in Israel verübten Massaker vom 7. Oktober 2023
Wie viele Wege muss ein Mensch gehen, (was muss er alles tun), bevor man ihn Mensch nennt?
Und wie viele Meere muss eine weiße Taube überqueren, bevor sie im Sand einschlafen kann?
Wie oft müssen noch Kanonenkugeln fliegen,
bevor sie für immer verboten werden?
Die Antwort, mein Freund, flüstert im Wind.
Die Antwort, sie flüstert im Wind.
Wie viele Jahre kann ein Berg standhalten, bevor er (endlich) vom Meer davongewaschen ist?
Wie viele Jahre schaffen es Menschen nur zu existieren, bevor es ihnen erlaubt wird, wirklich frei zu sein.
Wie viele Male kann ein Mensch seine Augen abwenden und so tun, als würde er nichts sehen?
Die Antwort, meine Freundin, flüstert im Wind.
Die Antwort, sie flüstert im Wind.
Wie viele Male muss ein Mensch nach oben schauen, bevor er den Himmel sehen kann?
Wie viele Ohren muss er haben, damit er andere Menschen weinen hört?
Und wie viele Tote muss es geben, bevor er versteht, dass zu viele Menschen gestorben sind?
Die Antwort, mein Freundinnen und Freunde, flüstert im Wind.
Die Antwort, sie flüstert im Wind.
Mit Tränen in den Augen und einem schweren Herzen bekennen wir: es ist genug! Genug Leid, genug Unmenschlichkeit, genug Unfreiheit, Gewalt und Hass. Mit Tränen in den Augen und einem schweren Herzen fragen wir: Wo ist der Ausweg – was ist die Antwort?
Die Antwort, meine Freundinnen und Freude, ist nicht unsere eigene. Sie begegnet uns nicht in menschlicher Waffengewalt, nicht in despotischer Machtdemonstration, nicht in Hass und Blindheit für das Leid des jeweils anderen, in keinem einfachen Freund-Feind-Schema.
Die Antwort, sie spielt sich nicht auf – fast unhörbar leise flüstert sie, umweht uns wie eine leichte Brise. Die Antwort, sie ist von uns nicht einzufangen und als Waffe gegen den vermeintlichen Feind zu gebrauchen. Die Macht dieser Antwort, sie mag aussehen wie Schwäche – ihre Gerechtigkeit scheint unterlegen. Und doch bricht sie als Licht in die Dunkelheit, wäscht massive Berge und Mauern mit liebender Beharrlichkeit davon.
Wer alle anderen mit seinem Hoheitsgebrüll zu übertönen versucht, der überhört sie leicht. Und doch, die Antwort im Wind, sie findet ihre Wege, allen Hindernissen zum Trotz. Ihr Flüstern wird gehört und verleitet zum Einstimmen. Die Antwort, sie hilft uns dabei Ungerechtigkeit beim Namen zu nennen, hinzuhören und den anderen zu sehen. Die Antwort im Wind, sie lautet: Er.
Der Gedenk- und Friedensgottesdienst wurde gestreamt und kann unter diesem Link nachgeschaut werden.
Anna-Lena Schwarz ist Doktorandin am Lehrstuhl für Systematische und ökumenische Theologie der Universität Siegen.