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Wer ist ein Gott wie du, der...? Theologische Kontemplation zu Micha 7,18-19
6.10.2022
Im Hebräischkurs von Erwachsenenbildung und Ev. Studierendengemeinde wird nicht stur Grammatik gepaukt, sondern ganzheitlich und diskursiv miteinander gelernt, immer von einem konkreten Bibeltext ausgehend. Am 1. Oktober 2022 haben wir Micha 7,18-19 übersetzt und dazu gearbeitet. Im Nachgang hat Anna-Lena Schwarz, Doktorandin am Lehrstuhl für Systematische und ökumenische Theologie der Universität Siegen und Teilnehmerin des Hebräischkurses, dazu eine Theologische Kontemplation geschrieben, die wir hiermit auch über den Kreis der Hebräisch-Lernenden hinaus teilen möchten.
Theologische Kontemplation zu Micha 7,18-19
von Anna-Lena Schwarz
Fragend staune, staunend frage ich: „Wer ist ein Gott wie du, der…
…die Last unserer Schuld und ihrer Folgen für uns trägt. Ein Gott, der Leid nicht kleinredet, sondern es sowohl in all seinem schrecklichen Ausmaß als auch in seiner es verursachenden Schuld zunächst gänzlich anerkennt, klar benennt und uns unmissverständlich vor Augen führt. Ein Gott, der sich dann aber selbst erniedrigt, in die tiefsten Tiefen des menschlichen Lebens hinabsteigt und in diesem Zuge beides, die zum Himmel schreiende Not der Opfer und die unsagbare Schuld der Täter:innen, trägt und auf sich nimmt – weil weder das eine noch das andere menschlich zu schultern wäre.
…der am Aufstand gegen das Gute triumphierend vorüberzieht. Ein Gott, der Leid und Schuld nicht ignoriert oder ihnen unterliegt, sondern sich ihrer annimmt und sie letztendlich vernichtend besiegt. Ein Gott, der uns allen Grund zur Hoffnung gibt, indem er dir und mir immer wieder neu und von Ewigkeit her verspricht: „Fürchte dich nicht, in mir ist all dieses Leid und all diese Schuld bereits siegreich überwunden – auch, wenn es deine Augen nicht sehen, und dein Herz es nicht immer fühlt. Deine Zweifel sehe und verstehe ich, rede sie nicht klein oder bagatellisiere ihre Ursachen und dennoch verspreche ich dir: du darfst glauben, dass der Kampf schon gewonnen ist – trotz der Welt und trotz deiner selbst.“
…der unsere Schuld in die Tiefen des Meeres wirft. Ein Gott, dessen Handeln weder von willkürlicher Zorneslust noch von selbstherrlichem Egozentrismus motiviert ist, sondern der in allem was er ist und tut in leidenschaftlicher Liebe für den Menschen brennt. Ein Brennen, das den Menschen und seine Schuld nicht nur als „Problem“ beseitigen, sondern ihn um seinetwillen aufrichten, zurechtrücken, seiner eigentlichen Bestimmung entsprechend heilen und neu machen will. Zum wahren Menschsein, zur Verantwortung befreit werden – das funktioniert erst dort, wo Gott die Schuld gleichzeitig aufzeigt und trägt, wo er sie selbst bekämpft und überwindet. Ein bisschen schon hier, in dieser wilden Welt. In Gänze von Ewigkeit her am Ende der Zeit.
Zusammenfassend könnte man also sagen:
Wer ist Gott nach Micha 7,18-19?
Ein zutiefst Mitleidender, ein siegreich Triumphierender, ein uns Verändernder – Sohn, Vater, Heiliger Geist, einer in allen und alle in einem. In dieser gleichzeitigen Vielfalt und Einheit eröffnet sich eine unaufkündbare Zusage, aus der sich unsere Hoffnung speist, ohne die Umstände auszublenden; die im Angesicht aller scheinbaren Vorläufigkeit und Verlorenheit die endzeitliche Endgültigkeit des Heilwerdens der ganzen Schöpfung betont; die vermag, das „Schon“ und das
„Noch-Nicht“ in ihrer Spannung zusammendenken – aber eben mit klarer, wegweisender Perspektive.
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